Ambigua (1) Der Sternstein von Mogonthûr by Jens Schumacher
Autor:Jens Schumacher
Format: epub
Herausgeber: SchneiderBuch bei EGMONT Verlagsgesellschaften mbH
veröffentlicht: 2012-01-17T16:00:00+00:00
Kapitel 15
Der Orden der Hippopathen
Es war eine ziemliche Sauerei. Von den Holgern war kaum etwas übrig außer zertrümmerten, blanken Knochen. Eine fast versickerte Blutlache sowie tiefe Scharten in den umliegenden Hügelflanken zeugten vom entsetzlichen Todeskampf der gehörnten Reittiere. Myrtel bemühte sich tapfer, ihr Entsetzen zu überspielen, aber Fabian merkte, dass ihr rosiges Gesicht bedeutend blasser war als sonst.
Von der Ausrüstung war kaum etwas unversehrt geblieben. Die wenigen Lebensmittel und Ausrüstungsstücke, die nicht heillos zertrampelt waren, passten in zwei notdürftige Tragebeutel, die Myrtel aus den Resten einer Satteltasche anfertigte. Damit machten sie sich auf den Weg.
Zunächst kamen sie gut voran, doch am Morgen des folgenden Tages schlug das Wetter um, und es begann, wie aus Kübeln zu schütten. Zwar war der Regen verhältnismäßig warm, aber es war trotzdem kein Vergnügen, den ganzen Tag in durchweichter Kleidung und mit klatschnassem Haar zu marschieren. Hinzu kamen der Hunger und die ständige Angst vor einem erneuten Angriff, so dass die Stimmung bald sehr gedrückt war. Sie redeten nur noch miteinander, wenn es unbedingt vonnöten war. Mit knurrenden Mägen marschierten sie weiter, bis sich am Abend endlich ein riesiger, dunkler Umriss vor ihnen aus der Dämmerung schälte. Durch einen dichten Vorhang aus Regentropfen ließ sich ein eckiges Felsmassiv erahnen, das sich wie ein gewaltiger Bauklotz aus der ansonsten flachen Umgebung erhob und einen guten Teil des Horizonts einnahm.
»Das Massiv von Mnom-Ping«, krächzte Xolpph auf Fabians Schulter. »Dass ich das noch erleben darf!«
Bis sie sich der senkrecht aufragenden Wand auf Steinwurfweite genähert hatten, war die Sonne hinter der mächtigen Felsmasse verschwunden. Fabian fiel auf, dass gut hundert Meter über ihren Köpfen, mitten in der Steilwand, kleine, rechteckige Lichter aufflammten. Unvermittelt legte Myrtel die Hände vor Mund und Rüssel und brüllte einen Gruß zu den Lichtern hinauf.
Augenblicke später trat der Mond hinter den Wolken hervor, und Fabian erkannte, dass hoch über ihren Köpfen die Zinnen einer mächtigen Befestigungsanlage in die Nacht aufragten. Kastenförmige Gebäude klebten am Fels wie Hornissennester, jeglicher Schwerkraft trotzend; Brücken und gewundene Treppen verbanden abgelegene Teile des Klosters mit einem massigen Hauptschiff, jede einzeln aus dem nackten Fels der Steilwand gehauen. Fabian starrte mit offenem Mund hinauf und fragte sich, wie lange es gedauert haben mochte, eine so beeindruckende Festung zu schaffen.
Von den Zinnen herab ertönte eine Antwort. Fabian konnte nichts verstehen, aber als die Fant sich umdrehte und ihm bedeutete, ihr zu folgen, lächelte sie zum ersten Mal seit Langem wieder.
Zügig schritten sie durch den strömenden Regen bis dicht an die Felswand heran. Fabian, der ein Tor oder wenigstens eine Treppe erwartet hatte, staunte nicht schlecht, als sich unter lautem Quietschen ein Bastkorb neben ihnen zu Boden senkte, etwa so groß wie ein Kinderlaufställchen. Sie stiegen ein, und das Vehikel erhob sich rumpelnd in die Luft.
Sie stiegen beunruhigend rasch. Mit einem Mal war Fabian dankbar für den sturzbachartigen Regen und die Dunkelheit, die es unmöglich machten zu schätzen, wie hoch über dem Boden sie sich schon befanden.
Der Korb verschwand durch eine Luke in einem Überhang der Steilwand und kam mit einem Ruck zum Stehen.
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